How FAR are you?

Aktive Bürgerschaft und Demokratieerziehung

Ein Projekt des Vereins für demokratische Bildung FAR in Burgas/Bulgarien finanziert  durch das deutsche katholische Hilfswerk Renovabis

1. Zum Kontext des Projekts

Nach 1989 beruht die Debatte über den Kommunismus in Osteuropa auf dem Konzept des Totalitarismus und entspricht damit weitgehend dem westeuropäischen Diskurs über Nationalsozialismus und Faschismus in den Nachkriegsjahren. Die Schwäche dieses Konzepts liegt darin, dass es den Menschen keine Grundlage für das individuelle Verstehen ihrer im realen Sozialismus gelebten Wirklichkeit liefert. Die Verallgemeinerungen und Extreme der Theorie des Totalitarismus geben keinen Aufschluss über das tägliche Leben im Kommunismus, was zur sogenannten „Ostalgie“ geführt hat und die Aufarbeitung der Vergangenheit in den osteuropäischen Gesellschaften erschwert. Immer noch ist die Zeit des Kommunismus im Osten, aber auch im Westen nicht geklärt. Das führt oft zur Ohnmacht der neuen Demokratien in Osteuropa und zu Irrtümern und Unwissen bei der Klärung von bestimmten Problemen der Gesellschaften in diesen Ländern.

Ein weiteres wichtiges Problem der bulgarischen Gesellschaft und ihre Schwäche ist das Fehlen der Bürgergesellschaft. Die bulgarische Gesellschaft ist eine Gesellschaft mit geringem Vertrauen gegenüber der Regierung, sowie dem Staat und seinen Institutionen. Eine Folge davon ist die Abkapselung der Bulgaren in ihrem Familien- und Freundschaftsmilieu, ihre Absage an aktive Bürgerschaft und gesellschaftliche Initiative. Im Ergebnis kommt es zu einer Schwächung des Solidaritätsgefühls zwischen den Bürgern und deren Vertrauen gegenüber dem Staat ist von Enttäuschung geprägt.

Solche Meinungen führen auch in demokratischen Systemen zu unbeständigen Verhalten der Wähler. Der lange bulgarische Übergang und die schwere Einführung der Marktwirtschaft erschwerten die Entstehung und Festigung einer Bürgergesellschaft in Bulgarien. Am Anfang dieses Übergangs wurde das Staats- und Gemeineigentum durch oligarchische Strukturen, Gewalt und kriminelle Methoden geraubt.

Die neue politische und wirtschaftliche Elite entstand aus dem Netz der Staatssicherheit  und der anderen Geheimdienste des kommunistischen Regimes.Ihr Einfluss erreichte die oberen Etagen der exekutiven und der richterlichen Gewalt. Das Erbe dieser Zeiten sind über 150 unaufgeklärte oder nicht bestrafte Morde, Armut unter den Menschen, eine gekaufte Presse und ein schlechtes Bildung- und Gesundheitswesen.

Erst in den letzten Jahren sind einige wichtige positive Veränderungen zu beobachten. Viele Gruppen von energischen jungen Leuten entstanden, die sich für den Naturschutz und für die Bewahrung der bulgarischen Natur einsetzen. Im Ausland ausgebildete Bulgaren kommen inzwischen häufiger in die Heimat zurück und bringen neue Ideen mit, wie der festgefahrenen Situation begegnet werden könnte. Aber diese Schritte zum Aufbau einer bürgerlichen Gesellschaft westlichen Typs sind sehr klein, langsam und schwankend.

Die EU- Kommission sieht in ihrem jüngsten Bericht eines der größten Probleme in der hohen und wachsenden Arbeitslosigkeit (-11,4%) und in der Verschlechterung des Arbeitsmarkts. Die EU-Kommission kritisiert darüber hinaus erneut das bulgarische Rechtssystem und die soziale Ungleichheit zwischen Reichen und der Armen im Land. Es gibt zahlreiche Beispiele von Verbrechen und der Kriminalität, die nie vor Gericht kommen. Die Korruption ist im Land stark verbreitet. Deshalb ist eine der zentralen Fragen, ob das Gerichtssystem und die Gesetze dieses Übel reduzieren könnten.

Nicht alle Probleme im Bereich des Rechtssystems sind mit der Korruption verbunden. Manchmal geht es um Angst: Wenn aber das Gericht, die Rechtsanwälte oder die Polizisten Angst vor den Verbrechern haben, dann kann man zur Schlussfolgerung kommen, dass ein großer Strukturfehler im Bereich der Organisation des Rechtssystems besteht und dass es an einem grundlegenden Wertesystem in der Gesellschaft fehlt.

So lässt sich zwanzig Jahre nach der Wende folgendes Bild der bulgarischen Gesellschaft zeichnen: Die Gesellschaft ist immer noch von der Erinnerung an die Zeit des Kommunismus geprägt. Diese Zeit ist nicht aufgearbeitet und wenig diskutiert worden. Immer noch sitzen Leute in Spitzenämtern, die mit der alten Staatssicherheit verbunden waren. Das Bildungs- und Gesundheitssystem wurde nicht reformiert, ebenso das Sicherheits- und Rechtssystem. Die Lage im Land stagniert durch die Korruption und die wirtschaftliche Krise und durch die von verschiedenen Oligarchen gekaufte Presse. Die Schwäche der bulgarischen Gesellschaft ist die Grundursache für die Probleme im Land in allen Sphären des gesellschaftlichen Lebens.

Für die Stärkung einer Gesellschaft spielt die politische und die religiöse Bildung in und außerhalb der Schule eine sehr wichtige Rolle. In Bulgarien wird zwar auch die Frage gestellt, ob eine politische und christliche Bildung in den Schulen notwendig wäre. Die Antwort ist aber nicht eindeutig: Einerseits will man eine solche Bildung unterstützen und erweitern, anderseits ist die jetzige Schulbildung in dieser Hinsicht unreformiert und unattraktiv.

Als erstes wichtiges Problem kommen die Lehrer und die Lehrbücher. Die Lehrer sind nicht für einen interessanten Unterricht ausgebildet. Bis jetzt sind keine politischen und christlichen Bücher geschrieben und auf dem Markt gibt es keine Literatur dafür. Dazu kommt noch die fehlende Kultur in der Schule, andere Meinungen zu akzeptieren.

In Bulgarien fehlt es vielfach an öffentlichen Debatten und Diskussionen. Es gibt hier keine Tradition und Kultur, Kritik zu üben. Eine Lösung dieser Probleme von Seiten des Bildungsministeriumс und damit für die Schulen ist nicht zu erwarten. Die Stärkung der Zivilgesellschaft ist deshalb eine besondere Herausforderung für den Bereich der non-formalen Bildung, insbesondere weil die politische und religiöse Jugendbildung dem Prinzip der Freiwilligkeit folgt, kann ihre Wirksamkeit ungleich höher sein.

Ein Beispiel für eine erfolgreich funktionierende freie Struktur ist der Verein für demokratische Bildung FAR, Burags der mit seinen Seminaren für Jugendliche und Erwachsene zu politisch-sozialen Themen viel zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in der Region Burgas beiträgt. Wird demokratische oder christliche Jugendbildung in nächster Zukunft nicht ernst genug genommen und nicht ausreichend gefördert, droht die Gefahr, dass die daraus entstehenden Lücken von anderen, meist weniger bis gar nicht demokratischen Kräften gefüllt werden.

2. Ergebnisse und Qualität der Arbeit. Finanzierung durch andere Projekte

Das erfolgreich abgelaufene Projekt „Bulagrien in der EU“ ergab sich als eine solide Basis für weitere Ideen, Veranstaltungen und Partnerprojekte. Dabei wurden folgende Ergebnisse erzielt:

▪     Ausbau der Kontakte und Zusammenarbeit mit bulgarischen Strukturen und europäischen Partnern

▪     Ausbau der Kooperation mit den Schulen in der Stadt und in der Region Burgas.

▪     Weitere aktive Mitarbeit an der Idee des Freiwilligen Engagements

aufgenommen und zwei bulgarische Freiwillige nach Deutschland und Frankreich entsendet.

▪     Ausbau der Zusammenarbeit in der internationalen Jugendarbeit

▪     Parallel laufen andere Projekte und Kofinanzierung

3. Ziele des Projekts 2011 – 2013

Mit dem neuen Projekt „How FAR are you“ will FAR weiter am Aufbau und Etablieren von zivilgesellschaftlichen Strukturen in Bulgarien mitarbeiten. Damit soll eine nachhaltige Stärkung dieser Strukturen gefördert werden. Der Aufbau der bulgarischen Zivilgesellschaft ist und bleibt das primäre Ziel der Bildungsarbeit von FAR.

In den kommenden Jahren will FAR insbesondere

▪     die Kooperation mit den lokalen und regionalen Netzwerken der sozialen und kirchlichen Einrichtungen verstärken,

▪     die Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten „Verband sozialer NGOs in Bulgarien“ ausbauen,

▪     eine nachhaltige Partnerschaft mit den neuen Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit und den selbstständigen Jugendinitiativen in der Region aufbauen,

▪     die Verbreitung von christlichem und demokratischem Gedankengut fördern und damit einen Beitrag zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts leisten,

▪     die Arbeit mit Jugendlichen mit geringeren Entwicklungschancen ausbauen.

Der Verein möchte mit seinen europäischen Kooperationspartnern den internationalen Jugendaustausch und dadurch die Mobilität der Jugendlichen, sowie den Fachkräfteaustausch fördern.

So leistet der Verein für demokratische Bildung einen wichtigen Beitrag zum Transfer von Know-how für non-formale Bildung in Bulgarien.

Im Einzelnen umfasst das Projekt How FAR are you? folgende Teilziele:

  • Kirche und Soziales
  • Zivilgesellschaftliche Strukturen
  • Bildungsangebote zu gesellschaftlich relevanten Themen
  • Freiwilliges Engagement
  • Interkulturelle Begegnungs,-und Bildungsarbeit für Pädagogen in der nonformalen Bildung

4. Geplante Aktivitäten und Themen

Die neu geplanten Aktivitäten und politisch-sozialen Maßnahmen sind im Einklang mit dem angekündigten bulgarischen Nationalprogramm für Jugendliche für die Zeit 2011-2015, wie folgt: „Das Programm fördert die Verbesserung des Lebensstandards und der Entwicklungschancen der jungen Menschen durch Schaffen und Anwendung von nachhaltigen Mechanismen zum Investieren in sie. Die Jugend ist ein bedeutendes soziales Kapital, das zu einer vollständigen sozial-ökonomischen Entwicklung Bulgariens als EU Mitglied beiträgt.“

Mit dem neuen Projekt Hau Far are you? will FAR zwei wichtige thematische Grundanliegen folgen:

▪     der Vermittlung von christlichen Werten und

▪     der Vermittlung von demokratischen Werten

 

A: Aktivitäten für bulgarische Jugendliche – pädagogische Begleitung von selbstständigen Jugendinitiativen und insgesamt 15 Veranstaltungen zu den Themen:

▪      Klimaänderung und Naturschutz

▪      Armut und Wirtschaftskrise

▪      Entwicklungschancen auf dem Arbeitsmarkt

▪      Werteentwicklung

▪      Entwicklung der ländlichen Regionen

▪      Ethnische Vielfalt in Bulgarien

▪      Partizipation

▪      Neue Medien und Demokratie

B: Aktivitäten für bulgarische Erwachsene – insgesamt 5 Veranstaltungen zu den Themen:

▪      Aufarbeiten der kommunistischen Vergangenheit

▪      Zusammenleben unterschiedlicher Ethnien

▪      Das Leben mit und ohne Christentum, was für eine Rolle spielt das für die Gesellschaft?

▪      Wohin geht die Welt? Und Bulgarien?

▪      Können die neuen Medien unsere Gesellschaft verändern?

C: Multilaterale Jugendbegegnungen

▪      Internationale Jugendbegegnungen

▪      Internationale Baulager

▪      Ausbildung von Multiplikatoren in der internationalen Jugendarbeit

D: bilaterale Begegnungen für Fachkräfte der Jugend- und Sozialarbeit aus Bulgarien und Deutschland

▪      Short Study Visit für bulgarische Multiplikatoren in Deutschland 2012

 

Das Projekt erstreckt sich über zwei Jahre und ist in folgende Phasen eingeteilt:

▪ Planungs- und Vorbereitungsphase: November-Dezember 2011
▪ Durchführungsphase: Januar 2012 bis November 2013
▪ eine Zwischenauswertung im Oktober 2012 und
▪ eine abschließende Evaluation und Projektdokumentation im Oktober 2013

Geplant sind insgesamt ca. 190 Seminartage mit etwa 645 Teilnehmenden, die durch freie Ausschreibung angesprochen werden. Vorwiegend sind die internen Veranstaltungen als eintägige geplant. 7 Veranstaltungen im gesamten Zeitplan sind als zweitägig geplant..

5. Management: Büro, Personal, Mitarbeiter, Öffentlichkeitsarbeit

Die inhaltliche Leitung des Projekts How FAR are you? liegt in den Händen von Frau Violetta Kyosseva. Als pädagogische Mitarbeiterin und Büroleiterin wird Elka Dolapchieva im Projekt mitarbeiten. Beide Mitarbeiterinnen verfügen über langjährige Erfahrungen in der Jugend, – und Erwachsenenbildung.

Wichtig zu bemerken ist, dass diese Teamzusammensetzung alle anderen Angebote und Aktivitäten von NGOs und staatlichen Einrichtungen vor Ort mit koordiniert und weiterleitet. Auch für die unterschiedlichsten Angebote von europäischen Partnern rekrutiert FAR regelmäßig bulgarische Teilnehmer/innen.

FAR setzt seine Mitarbeit mit speziell geschulten Referenten/innen für die Ziele der non-formalen demokratischen Bildung auch im Rahmen dieses Projekts weiter fort.

FAR betreibt regelmäßig Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und ist anlässlich unterschiedlicher Veranstaltungen in der lokalen Presse präsent. Über die Internetseite und Facebook kündigt FAR seine Aktivitäten an.

Um die Arbeit für die Gesellschaft, die solche Vereine wie FAR leisten, präsent zu machen und sie generell zu unterstützen, sind Publikationen von besonderer Bedeutung. FAR hat anlässlich seines 15-jährigen Jubiläums eine Fachpublikation „Verein FAR – ein Modell für Demokratie-Lernen auf dem Balkan“ herausgegeben (www.farburgas.eu/wp-content/uploads/2011/10/FAR-Konferenz-2010.pdf). Sie enthält Beiträge über die Arbeit und Entwicklung von FAR, über die Demokratisierung der Gesellschaft, sowie über den interkulturellen Austausch und Transfer von Demokratie-Lernen mit Fachkräften in Europa. Noch eine Publikation als Resultat vom Projekt „Strengthening the Evidence Based Practice of education Civil Society Organisations Initiative“, finanziert von Offener Gesellschaft Ungarn steht fertig vor Herausgabe. In der Publikation der Abschlußkonferenz „Together.For the Youth“ (www.farburgas.eu/wp-content/uploads/2011/10/FAR-Konferenz-2010.pdf) sind Beiträge über den Stand der non formalen Bildung in Bulgarien und in Europa, Ergebnisse von der Forschung über den Einfluss der non-formalen Bildung auf die Jugendlichen in der Region Burgas, gute Praxis über eine moderne bulgarische Tshitaliste und über eine gute Zusammenarbeit von NGOs mit der Kommune. Dadurch kommt der Verein dem Mangel an übersetzter speziellen Literatur über sozialpolitische Entwicklungswege, – und Tendenzen in der bulgarischen Zivilgesellschaft nach, der nach wie vor besteht.

6. Nachhaltigkeit

Noch seit seiner Gründung strebt FAR nach einer nachhaltigen Entwicklung, die auch im Rahmen des Projekts How FAR are you? durch die folgenden Projektschwerpunkte erreicht wird:

Kontinuirliche und verstärkte Zusammenarbeit mit den Kommunen, den Schulen und anderen Bildungs, Sozial, -und Kircheneinrichtungen vor Ort und Öffnung dieser Strukturen für die Rolle und die Bedürfnisse der non formalen Bildung.

Intensivere internationale Arbeit, die zu einer effektiven Demokratieverständnis und Demokratiebildung, sowie zur weiteren Demokratisierung der örtlichen Gemeinde aktiv beitragen.

Sicherung der Qualität der Bildungsarbeit durch Schulung und Weiterqualifizierung des Referentennachwuchs, sowie Schulung von Jugendarbeitern zur Förderung und pädagogische Begleitung von Jugendinitiativen.

FAR bietet regelmäßig ein Jahresprogramm mit unterschiedlichen Bildungsmaßnahmen wie: Seminare, Workshops, Präsentationen, Fachkonferenzen u.a. an.

Sie sind herzlich eingeladen zu unseren  Veranstaltungen!